Sie kennen gewiss den Begriff "Ei des Kolumbus". Es meint eine unerwartet einfache Lösung eines scheinbar großen Problems.
Mir ist klar geworden, dass es im Zusammenhang mit den vielen kleinen und großen Konflikten auf dieser Welt geradezu so etwas gibt wie ein "Friedens-Ei des Kolumbus". In unserer evangelischen Tradition wird immer am 6. Sonntag nach Trinitatis an die Taufweisung Jesu erinnert, der gesagt hat: "Mir ist gegeben alle Vollmacht im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende."
Das sind die 3 letzten Sätze des Matthäus-Evangeliums. Wenn ich Jesus richtig verstanden habe, drückt er damit aus, dass er alle Völker und zu allen Zeiten als seine Jünger, also als seine "Von-ihm-Lernenden", oder einfacher ausgedrückt, als seine Schüler berufen hat. Schon zu seinen irdischen Lebzeiten hatte er ja - im Unterschied zu den anderen Lehrern der Heiligen Schrift - sich seine Schüler selbst ausgesucht. Nach seiner Weisung beginnt das "Schülerdasein" mit der Taufe gleichsam als Aufnahme-Ritus. Wann derselbe im Leben eines Menschen geschieht, spielt dabei keine Rolle. Jesu Wirksamkeit war immer auch ein Lehr-Wirken, und zwar durch seine Worte in Form von Erzählungen und Gesprächen, aber auch in seinen Taten, in seinem Umgang mit dem verschiedensten Menschen. Dabei zeigte sich Jesus durchweg als ein Befreier und Bereiter. Mit ihm kamen immer neue und hoffnungsvolle Perspektiven auf Menschen zu.
Wer getauft ist gehört demzufolge zur großen Lerngemeinschaft Jesu, der auch laut Johannes-Evangelium gesagt hat: "Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht." So ist Jesus der große Friedensgeber und Friedenslehrer. Und er sagt auch: "Wer mich liebt, der wird mein Wort halten." Das große Problem ist, dass die meisten Getauften sich dessen nicht bewusst sind, dass alle anderen Getauften ihre Mitschüler, ja sogar ihre Schwerstern und Brüder sind. Wer aber sich seiner Taufe bewusst ist, kann unmöglich fähig sein, den Mitlernenden als zu bekämpfenden oder gar zu vernichtenden Feind zubetrachten.
Ein Beispiel: Auf beiden Seiten des Krieges in der Ukraine kämpfen Getaufte, also Christen. Sie konnten nur deshalb kampfbereit gemacht werden, weil sie sich ihrer Taufe und den damit verbundenen Konsequenzen nicht bewusst sind. Darin steckt die ganze Tragik des Unfriedens, wo Christen daran beteiligt sind. Wer aber seine Taufe verstanden hat kann weder Krieg noch Waffenliefungen gutheißen. Das ist das vergessene und wiederzuentdeckende "Friedens-Ei des Kolumbus". Lernen ist doch etwas Schönes. Von Jesus wirklich lernen, und zwar in der Anwendung seiner Lehren in der Lebenswirklichkeit, ist das Allerschönste, was es gibt. So breiten Sie die "Friedens-Eier des Kolumbus" - pardon - des "Jesus von Nazareth" aus.
Ich wünsche Ihnen, wenn Sie schon getauft sind, ein starkes Bewusstsein ihrer Taufe und gute Lernerfolge.
Manfred Greinke.