Kirchenglocken haben eine akustische Abholfunktion - so auch die des Evangelischen Katharina-von-Bora-Gemeindezentrum in Eging am See.
Und Orgelmusik hat eine akustische Einstimm-Funktion. Das geschah soeben mit einer Choralbearbeitung von Johann Gottfried Walther, der 1723 mit seinem Cousin Johann Sebastian Bach Freundschaft schloss und in Weimar wirkte. "Wer nur den lieben Gott lässt walten" heißt der Titel. Um dieses Lied im Evangelischen Gesangbuch Nr. 369 und seinem Urheber soll es in dieser außergewöhnlichen Andacht geben, zu der wir Sie herzlich willkommen heißen.
Wir feiern sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. -AMEN-
Der Mond hat sich in seiner Sichtbarkeit beinahe zum Halbmond reduziert. Wir sind also beim 22. Tag des 4. Mondmonats TaMUS angekommen. Für alle, die es noch nicht wissen: Vom Mondkalender wird wesentlich auch das Kirchenjahr bestimmt, wo wir beim 5. Sonntag nach Trinitatis angekommen sind.
"Aus Gnade seid ihr gerettet durch den Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es." ....steht in Epheser 2, Vers 8, und als Wochenspruch für diese neue Woche.
Liebe Schwestern und Brüder!
Im Evangelischen Namenskalender wird am heutigen 9. Juli an Georg Neumark erinnert, der am 8. Juli 1681 im Alter von 60 Jahren und knapp 4 Monaten starb. Er war nicht nur ein Jurist, sondern auch Liederdichter und Komponist. Sein bekanntestes Lied ist "Wer nur den lieben Gott lässt walten".
Gedenktafel in der Weimarer Jakobskirche.
Er schrieb es im Jahr 1641: Es ist noch die Zeit des 30jährigen Krieges. Neumark ist 20 Jahre alt, als er das fürstliche Gymnasium zu Gotha verlässt, um auf die Universität zu ziehen - nach Königsberg zum Studium der Rechtswissenschaft, eine Reise, die er gewiss in Gottes Namen und mit Vertrauen antritt. Aber wie sein Vertrauen geprüft werden würde, das ahnt er zu Beginn seiner Reise noch nicht. Erst als alles überstanden ist, und sich glücklich gefügt hat, da fasst er seine Erfahrung in ein Lied. Es ist - wie er es nannte - ein
"Trostlied, dass Gott einen jeglichen zu seiner Zeit versorgen und erhalten will, nach dem Spruch: "Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich wohl versorgen und wird den Gerechten nicht ewiglich in Unruhe lassen." (Psalm 55, Vers 23)
Fensterbild in der Kirche zu Lübben.
Was Georg Neumark auf seiner Reise erfahren und gelernt hat, das gilt gewiss auch für die Lebensreise. Auch darum lohnt es sich, sein Lied genauer zu betrachten und bedenken. Strophen mit je 6 Zeilen hat es, zu dem er übrigens selbst auch die Melodie beigesteuert hat, wobei immer die 5. und 6. Zeile eine Art Zusammenfassung bilden.
Gleich in der ersten Strophe kann man auch sehr schön sehen, wie sehr die Worte und Töne zueinander passen. Die Betonungen liegen an der Stelle, an der das Wichtigste ausgesagt wird, wo nämlich vom "lieben Gott" die Rede ist. Der ist der Allerhöchste, mit dem höchsten Ton der Melodie besungen. Nicht zuletzt hat die Melodie einen schwingenden Rhythmus, der bei allem Ernst des Inhalts dem Lied doch eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Genug Gründe also zum Mitsingen der ersten Strophe.
Strophe 1: Wer nur den lieben Gott lässt walten, / und hoffet auf ihn allezeit, / den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit. Wer Gott, dem Allerhöchsten, / traut, der hat auf keinen Sand gebaut.
"Der hat auf keinen Sand gebaut", wie es am Ende der Bergpredigt heißt. Offensichtlich ist Georg Neumark in seiner Bibel bewandet und weiß: Es ist gut, auf Gott zu trauen, ihn walten zu lassen.
Georg Neumark will also zum Studium nach Königsberg reisen. Mit Handelsleuten kommt er nach Leipzig und danach schließt er sich einer anderen Kaufmannsfuhre an, die nordwärts reist.
Aber die Reise geht nicht lange glücklich vonstatten: In der Gardelegener Heide wird die ganze Gesellschaft überfallen und ausgeraubt. Neumark behält sein Leben. Aber Bücher, Kleider und fast alles Geld verliert er. Sein Stammbuch mit Empfehlungsschreiben allerdings bleibt ihm. Das ermutigt ihn, weiterzuwandern, seine Reise Richtung Norden fortzusetzen.
Mit ihm wandern schwere Sorgen. Weh-und-Ach-Klagen sind ihn gewiss nicht fremd. Und wer kann es ihm verdenken: Die Lage ist zum Seufzen. Die Einsicht, dass Seufzen zwar für den Moment entlasten mag, aber nicht wirklich nützt, sondern den Zustand eher noch verschlimmert, leuchtet uns ein. Ob sie auch Georg Neumark, als er mitten in seiner desolaten Lage steckt, hilft, umso fester auf Gott zu vertrauen?
Strophe 2: Was helfen uns die schweren Sorgen, / was hilft uns unser Weh und Ach? / Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach? / Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit.
Georg Neumark zieht weiter, er kommt nach Magdeburg, nach Lüneburg, nach Winsen an der Elbe; er klopft an viele Türen, fragt nach Hilfe und vorübergehende Anstellung und lernt dabei auch Menschen kennen, die sich mühen, um ihn unterzubringen. Aber immer wieder wird er enttäuscht. Es sind strapaziöse Herbst- und Winterwochen, dann endlich erreicht er Hamburg. Hier kann sich Neumark etwas Geld verdienen, aber trotz seinr instrumentalen Fertigkeiten findet er in der musikliebenden Stadt keine Anstellung. Ob Georg Neumark allmählich mürbe wird? Nun, er ist ja ein junger Mann, kann körperlich Einiges aushalten, ist auch Entbehrungen gewohnt. Aber wie steht es mit seinem Gottvertrauen?
In seinem Lied im Rückblick auf diese Erfahrungen rät er zur Geduld. In-sich-selbst-vergnügt-sein ist die Kunst, zufrieden zu werden. Auch wenn das Schicksal hart zusetzt, bleibt die Gewissheit bestehen: Gottes Gnadenwille ist nicht außer Kraft gesetzt. Er weiß um unsere Notlage und hat einen Rettungsplan.
Strophe 3: Mann halte nur ein wenig stille / und sei doch in sich selbst vergnügt, / wie unsers Gottes Gnadenwille, / wie sein Allwissenheit es fügt: / Gott, der uns sich hat auserwählt, / der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt.
"...was uns fehlt." Georg Neumark fehlt ein Ort, an dem er vorübergehend zu Hause sein kann. Ihm fehlt eine Arbeitsstelle, um Geld zu verdienen. Ihm fehlt Reise- und Studiengeld.
Die nächste Station seiner Wanderung ist Kiel. Zum Jahresanfang 1642 trifft er dort ein. Und wieder klopft er an Türen an und fragt nach: und wieder werden ihm Hoffnungen gemacht, aber es geschieht nichts und die Zeit geht dahin. In seinen Erinnerungen schreibt Neumark, dass sein Vaterland in vollen Kriegsflammen stand und er nur hatte, was er am Leib trug. Kein Wunder, dass es ihm ganz elend geht. Darüber berichtet er im Rückblick.
"So wurde ich so melancholisch, dass oftmals ich des Nachts in meiner Kammer den lieben Gott mit heißen Tränen knieend um Hülfe anflehete, welches der liebe und barmherzige Gott, des Güte alle Morgen neu und mich über mein Vermögen nicht versuchte, endlich ganz unvermeint angesehen."
Dieses Ansehen und die Rettung durch den lieben Gott: Neumark hat dafür das schöne Wort "Freudenstunden" geprägt. Gottes Sache ist überraschendes Kommen und Schenken. Aber unsere Sache ist ungeheuchelte Treue.
Strophe 4: Er kennt die rechten Freudenstunden, / er weiß wohl, wann es nützlich sei; / wenn er uns nur hat treu erfunden / und merket keine Heuchelei, / so kommt Gott, eh wir`s uns versehn, / und lässet uns viel Guts geschehn.
Das Gute, das Georg Neumark widerfährt: Seine rechte Freudenstunde ist nun da: Die Stelle eines Lehrers wird frei. Neumark bekennt.
Welches schnelle und gleichsam vom Himmel gefallenen Glück mich herzlich erfreuete und hatte genug Ursache, nach des ersten Tages meinem lieben Gott zu Ehren das hin und wieder wohl bekannte Lied "Wer nur den lieben Gott lässt walten..." aufzusetzen und der göttlichen Barmherzigkeit herzinniglich Dank zu sagen."
Das Lied ist eine einzige Einladung zum Gottvertrauen. Aber bevor Georg Neumark das Lied schreiben konnte, ist sein Vertrauen schwer auf den Prüfstand gestellt worden. Er weiß darum, was für Prüfungen Menschen, die ihr Leben Gott anvertrauen, bisweilen bestehen müssen. Schon in den Psalmen ist davon die Rede, dass diejenigen, die Gott lieben, leiden müssen und sich von Gott verlassen fühlen, während es den Gottlosen scheinbar gut geht. Aber Achtung! Das ist nur eine Momentaufnahme. Gottes Arm reicht weiter. Auch das ist in der Bibel bezeugt.
Strophe 5: Denk nicht in deiner Drangsalshitze, / dass du von Gott verlassen seist / und dass ihm der im Schoße sitze, / der sich mit stetem Glücke speist. / Die Folgezeit verändert viel / und setzet jeglichem sein Ziel.
Ja, das hat Georg Neumark erfahren. Er hat eine Zeit der Not und Entäuschungen erlebt. Und dann hat ihm Gott, auf den er vertraut hatte, Freudenstunden geschenkt: Eine Lehreranstellung in Kiel. 2 Jahre bleibt er dort, unterrichtet und musiziert und kann sich dann schließlich 1644 in Lübeck nach Danzig einschiffen. Von dort erreicht er Königsberg, das Ziel der so lange unterbrochenen Reise, um an der vom Krieg verschonten Universität Jura zu studieren.
Er kommt in Kontakt mit bedeutenden Dichtern und tritt unter ihrem Einfluss mit weiteren Liedern und Gedichten hervor. 1652 ist er wieder in Thüringen, wo sich ihm eine Laufbahn am Hofe des Herzogs von Weimar eröffnet.
Ein Lebenslauf zum Wundern! Der Neumark hat tatsächlich das Handeln Gottes als Wunder erlebt. Darum spricht er von ihm als "Wundermann". Mit diesem Wort meint er aber keinen Zauberer, sondern einen, der Wunder tun kann. Ja, Gott ist ein Gott, der Wunder tun kann und Georg Neumark zitiert hierfür Verse aus dem Lobgesang der Maria:
Strophe 6: Es sind ja Gott sehr leichte Sachen / und ist dem Höchsten alles gleich: / den Reichen klein und arm zu machen. / den Armen aber groß und reich. / Gott ist der rechte Wundermann, / der bald erhöhn, bald stürzen kann.
Wir kommen zum Schluss des Liedes, die Summa. Und um sie recht an die Sänger seines Liedes zu bringen, spricht Georg Neumark sie direkt und persönlich an und empfiehlt, ja fordert sie geradezu auf:
Strophe 7: Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, / verricht das Deine nur getreu / und trau des Himmels reichem Segen, / so wird er bei dir werden neu. / Denn welcher seine Zuversicht / auf Gott setzt, den verlässt er nicht.
Georg Neumark in Ilustrierte Literaturgeschichte 1880.
Ein Trostlied, dass Gott einen jeglichen zu seiner Zeit versorgen und erhalten will. Das hat Georg Neumark`s Geschichte seiner hindernisreichen Reise gezeigt und bezeugt. Wer sein Lied singt, hat die Chance, auch darin Motive, Erfahrungen und Momente seiner eigenen Lebensreise zu entdecken.
Was der Liederdichter erlebt hat, möchte er auch anderen gönnen, nämlich die Erfahrung: Vertrauen auf Gott lohnt sich und Zuversicht hat festen Grund. Denn Gott steht zu seinem Wort, er hält reichen Segen für die bereit, die ihn lieben. -AMEN-
Herzlich lade ich ein zum Gebet:
Herr, unser Gott, lieber himmlischer Vater! In all unseren Nöten bist du nicht fern von uns und greifst zum rechten Zeitpunkt ein, bereitest uns Neues und stellst unsere Füße auf weiten Raum. Dafür danken wir dir und bitten dich: Hilf, dass wir das nie vergessen und dir allezeit vertrauen und unsere Zuversicht allein auf dich setzen, so wie es das Lied beschreibt. Das bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geiste lebet und regieret jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. -AMEN-
VATER UNSER IM HIMMEL.......-AMEN-
Ein herzliches Dankeschön gilt Frau Dr. Uta Zintarra, die uns ihre Liedtext-Interpretation zur Verfügung gestellt hat.
Mit einer weiteren Choralbearbeitung für Orgel zu diesem Lied, diesmal von Georg Böhm (1661-1733), klingt unsere Andacht aus.
Mögen auch Sie den Impuls der letzten Strophe aufnehmen und auf Gottes Wegen singen, beten und gehen! Wenn Sie das draufhaben, ist es auch ein gute Gabe Gottes. Das wünschen Ihnen mit herzlichen Grüßen Ihr Pfarrer Manfred Greinke, Duo Pepper, Gabriele Kerstan und Ulrike Lau-Hartl.
Es segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. -AMEN-.