Herzlich willkommen zur Karfreitagsandacht. Es empfiehlt sich, während der Andacht die Bilder anzuschauen.
1. Herr, wir denken an dein Leiden, / wollen unser Herz bereiten, / auf dein Kreuz zu schaun.
2. Bist den bittern Tod gestorben, / hast des Heiles Kraft erworben, / hilf, dass wir vertraun.
3. Herr, du hast dein ganzes Leben / für uns Menschen hingegeben, / dafür danken wir.
Auf eine ganz außergewöhnlich Weise wollen wir heute des Leidens und Sterbens unseres Heilandes gedenken. Wir begeben uns gedanklich dazu in jene Stadt, die man die "Amme der Reformation" nennt: Torgau.
Dort entstand der erste evangelische und einzige von Luther eingeweihte Kirchenbau: Die Schlosskirche vom Renaissance-Schloss Hartenfels. Sie ist ein Besuchermagnet. Viele Menschen gehen hinein. Aber nur wenige entdecken, wo sie hindurchgehen: Durch das Leidensportal.
"....das wir durchs Kreuz ins Leben gehn." So endet ein Passionslied, welches Nikolaus Herman 1561 dichtete. Ob er dabei an die von Martin Luther 1544 eingeweihte Schlosskirche zu Torgau mit dem Leidensportal dachte, wissen wir nicht.
Torgau - Schlosskirche Portal.
Wer zu schnell hindurchtritt, hat schon etwas verpasst: Man sieht dort die Werkzeuge des Martyriums und der Hinrichtung Jesu, die arma Christi in einem Rundbogenrelief.
Diese weltbewegende Geschichte von der Marterung und Kreuzigung Christi müssen wir kennen. Sie ist am kürzesten erzählt bei Markus in den Kapiteln 14-15.
Hier aber in der Laibung des Rundbogenportals sind nur die Tatwerkzeuge dieser Hinrichtung zu sehen, die uns demonstrativ von 6 Engeln gezeigt werden, eingerahmt in ein starkes Rankenwerk mit Früchten, Blüten und Blättern. Schauen wir genau hin und fangen rechts unten an:
Die Schandtat des Judas: Im Wandsockel der rechten Seite hält uns ein Engel den Geldbeutel mit den dreißig Silbermünzen entgegen, für die Judas sein Freund und Meister Jesus verriet, im Garten Gethsemane am Ölberg durch einen Kuss, das Zeichen der Freundschaft.
TG Schlosskirche Engel mit Geldbeutel.
Die Fackel erinnert an jene Nacht und mahnt zugleich zur Wachsamkeit, zu leben im Licht und nicht im Finstern der Intrige und des Verbrechens. Gewalt hat keine Chance. Sie wird unterliegen, tritt doch der Engel leichten Fußes den eisernen Helm des Soldaten in den Staub.
Christus und sein Reich lassen sich nicht mit Gewalt verteidigen, schon gar nicht verbreiten. So lehnt es Jesus ab, sich von Petrus mit der Waffe verteidigen zu lassen. "Stecke dein Schwert in die Scheide", hatte er ihm gesagt, "denn wer zum Schwert greift, wird auch durch das Schwert umkommen."
Doch da hatte Petrus bereits zugeschlagen und dem Kriegsknecht ein Ohr abgehauen. Nun sehen wir es in der Hand des Engels im linken Sockelbereich des Portals. Denkt daran, es könnte sein, dass Waffengewalt mehr kostet als nur das Ohr.
TG Schlosskirche links Engel mit Schwert.
Rechts über dem Sockel ist die Geißelsäule, an die er gefesselt wurde. Die Geißel selbst, eine im Original mit scharfen Bleispitzen versehene kurze Peitsche ist ein wenig hinter der Säule in Handhöhe versteckt und kaum zu erkennen.
TG Schlosskirche rechts Engel mit Martersäule und Hahn.
Der Hahn darüber mahnt uns, den Gefangenen nicht zu verleugnen, wie es Petrus zuvor tat. Ist es eine Ironie des Schicksals, dass im 20. Jahrhundert der Hahn seinen Kopf verloren hat. Wer warnt uns jetzt vor feigem Schweigen?
TG Schlosskirche Portal mit Hahn.
Einer der Soldaten stieß ihn mit dem Speer in die Seite. Blut und Wasser brachen aus dem Leichnam und zeigten an, dass Jesus wirklich gestorben war.
TG Schlosskirche Portal Engel mit Speer.
Links Gegenüber in Säulenhöhe: Das Kreuz mit der Lateinischen Inschrift - INRI - Jesus von Nazareth der König der Juden. So lautet die Todesursache, die man über diesen Revolutionär der Liebe aussprach.
TG Schlosskirche Portal links Engel mit Kreuz.
TG Schlosskirche Portal links Engel mit Dornenkrone.
Ganz oben links von der Mitte die Dornenkrone, die man ihm auf das Haupt presste. Wie ein Siegeskranz wird sie uns hingehalten. Und in der Hand des gleichen Engels sehen wir ein Palmenblatt, ein Zeichen des Sieges über den Tod, Erinnerung an den Einzug in Jerusalem, ein Gruß dem König, der nicht mit Gewalt, sondern mit Liebe regiert. Mit einer Liebe, die treu bleibt, die selbst den Tod nicht füchtet und ihm somit die Macht nimmt.
Und dann links darunter der Schwamm auf dem Rohr: "Mich dürstet", rief Jesus, dem Tod schon näher als dem Leben. Da stand neben dem Kreuz ein Gefäß voll Essig. Die Kriegsknechte tränkten einen Schwamm darin, steckten ihn auf den Stengel einer Ysoppflanze oder auf ein Rohr und hielten es ihm an den Mund.
TG Schlosskirche Portal links Engel mit Ysoppflanze.
So feuchtete er die Lippen. Dann neigte er sein Haupt und starb. Hier ist der Tod nicht peinliches Scheitern, nicht grausamer Irrtum der Justiz, die einen Unschuldigen traf.
TG Schlosskirche Portal rechts Engel mit Nägel.
Oben Rechts drei Nägel, um ihn am Kreuz zu halten. Vom Hammer finden wir noch den Griff. Deutlich ist auch die aufgebrochene reife Frucht des Granatapfels zu sehen, in der Antike das Symbol der Unsterblichkeit, bei den Juden das Symbol für die Fülle der Ge- und Verbote, die einzuhalten nicht immer leicht und dennoch richtig ist.
So entspricht es Gottes Willen, dass Jesus auch im Tod treu bleibt. Und er stimme ihm zu: "Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe."
Und schließlich weist der Granatapfel in der christlichen Ikonographie auf die Auferstehung Jesu hin. Der Sieg über den Tod ist errungen.
Dass diese Erkenntnis nicht unvermittelt gegeben ist, sondern eines Reifungsprozesses bedarf, erkennen wir hier am Portal an den verschiedenen Entwicklungsstadien dieser symbolreichen subtropischen Pflanze.
Zu der Ernsthaftigkeit der Passion Jesu scheinen die leicht beschwingten und turnenden Kindengel in ihren Gewändern und Muskelpanzern schlecht zu passen. Doch vermitteln gerade sie dem Menschen der Renaissance mehr noch der lutherischen Reformation die Freundlichkeit und die Nähe Gottes, des Vaters: Von Gott kommt unbeschwertes, neues Leben. In den Kindern, stärker noch in den Engeln wird es uns deutlich. Wohl sind sie abhängig vom Vater, doch welche Abhängigkeit wäre beglückender als die, Kind guter Eltern zu sein. So umgeben wusste sich auch Luther.
Die beiden Seiten des Portals werden gleichsam durch einen Ring zusammengehalten, der knapp unterm Scheitelpunkt die Symmetrieachse durchläuft. Als Symbol bedeutet er wohl, dass alles zusammengehört.
TG Schlosskirche Portal Ring.
Das Kreuz von Golgatha bleibt einmaliges historisches Faktum, wenn auch oft und von jeder Generation neu dargestellt.
Einen anderen Geist, der unseren Erfahrungen mit dem Sterben vielleicht näher steht, atmet das Relief der Beweinung Christi in der Ädikula über dem Portal. Eine Ädikula ist eigentlich eine kleine von Säulen umrahmte Nische für ein Heiligenbild, hier für ein reliefartiges Bild einer Kreuzigungsszene.
Nun schauen wir noch einmal auf das Leidenstor als Ganzes.
TG Schlosskirche über dem Portal Ädikula.
Wir sehen die drei Kreuze von Golgatha. darunter den vom Kreuz genommenen Leichnam Jesu von Nazareth, gehalten von Josepf von Arimathia. Dieser, ein reicher jüdischer Ratsherr, der Jesus sehr zugetan war, hatte sein Felsengrab für den Gekreuzigten zur Verfügung gestellt und wollte ihn da nun bestatten.
Rechts hinter ihm Nikodemus Mitglied des jüdischen Hohen Rates, der sehr früh schon das Gespräch mit Jesus gesucht hatte. Wir erkennen ihn an der großen Dose, die er in der Hand hält. Darin bringt er Myrrhe und Aloe, um den Leichnam zu salben.
Doch geht sein Blick in die Ferne. Ahnt er schon, dass Jesus dieser Salbung nicht bedarf? Rechts neben Jesus vor Schmerz zusammengebrochen Maria, die Mutter Jesu und Johannes, der einzige Jünger, der am Kreuz ausgeharrt hat. Beide werden von diesem Tag an wie Mutter und Sohn zusammenleben, so hat es Jesus noch am Kreuz für sie geordnet.
Hinter ihnen drei Frauen, vermutlich Maria aus Magdala, die duch Jesus geheilt worden war, Maria des Jüngers Jakobus Mutter und Johanna, die Jesus mit ihrem Vermögen diente. Während die erstgenannten voller Schmerz sich Jesus zuwenden, geht ihr Blick weit voraus, eilt schon einer neuen Zeit zu.
Traurig stimmt uns, dass, abgesehen von Johannes, alle Jünger fehlen. Die Frauen standen Jesus in den Stunden des Todes näher als die Männer. Sie waren auch die ersten Zeugen seiner Auferstehung.
Das Thema der Beweinung zwischen Kreuzabnahme und Bestattung im Felsengrab ist biblisch nicht einzeln bezeugt, obwohl es sich gut in den Verlauf des Karfreitags einordnen lässt. In der Kunst taucht es erstmalig im 11. Jahrhundert auf. Ende des 13. Jahrhunderts ist es in Italien verbreitet, im 15. Jahrhundert auch in Deutschland.
Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, hat eine Hoffnung in die Welt gebracht, die den Tod überwindet. "...dass wir durchs Kreuz ins Leben gehen." Das war das Motto für das Passionsportal der Torgauer Schlosskirche.
Wären wir dort, würde ich sagen: "Nun tritt ein in den Raum des Lebens! Gott will dir begegnen. Die Einladung gilt."
Lied 79 im Evangelischen Gesangbuch:
1.Wir danken dir, Herr Jesu Christ,
dass du für uns gestorben bist
und hast uns durch dein teures Blut
gemacht vor Gott gerecht und gut,
2. und bitten dich, wahr`Mensch und Gott,
durch dein heilig fünf Wunden rot:
Erlös uns von dem ewgen Tod
und tröst uns in der letzten Not.
3. Behüt uns auch vor Sünd und Schand
und reich uns dein allmächtig Hand,
dass wir im Kreuz geduldig sein,
uns trösten deiner schweren Pein
4. und schöpfen draus die Zuversicht,
dass du uns wirst verlassen nicht,
sondern ganz treulich bei uns stehn,
dass wir durchs Kreuz ins Leben gehn.
Es segne und behüte Dich der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geiste. -AMEN-